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Im folgenden wird der »Sinn der Farbe und Form« für die
visuelle Wahrnehmung, das subjektive Gefühl, die körperliche Erfahrung
und die Kommunikationssituation nicht im verstehenden, sondern im funktionalen
Sinne thematisiert. Funktional gesehen wurde mit der Kategorie Zweitheit
und den Möglichkeiten [Erstheit] der bildnerischen Mittel beschrieben,
wie im Umgang mit wirklichen Materialien Farbe und Form zu Quali- Sin- und
Legizeichen arrangiert werden. Diese figural-qualitativen Eigenschaften
ermöglichen dem Betrachter einen Sinn, der mit der Wahrnehmung des
Gegenstandes bzw. der Interpretation eines Bildzeichens sinnvoll wird.
Bei der Suche nach der Funktion des Sinns verliert sich die Frage nach dem
»Was« des Inhalts der Formen. Formen gehorchen der scheinbar
unkritischen Frage nach dem »Wie«. Da aber das »Wie«
grundsätzlich ein »Was« zum Inhalt hat, will ich mich nicht
dem von Luhmann vorgeschlagenen "unauflösbaren Relativismus"
[Luhmann 1990/29, vgl. 14ff.] hingeben und möchte trotzdem nach der
»Wie«-Frage die »Was«-Frage für unsere Kultur
kritisch betrachten. Zunächst jedoch zu den Fragen: Wie wird ein Darstellungscode
in Farbe und Form für Bilder einer Kultur funktional sinnvoll, und
wie setzt sich der Sinn der codierten Formen in der visuellen Kommunikation
als Notwendigkeit durch?
Die Ausdrucksweise »sinnvoll werden« markiert, warum Form und
Farbe nicht aus sich selbst heraus sinnvoll sein können, sondern erst
Sinn erwirken, wenn sie von einem wahrnehmenden Individuum tatsächlich
zur einheitlichen Gestalt eines Gegenstands bzw. Zeichens verwirklicht werden.
Solche durch die Wahrnehmung konstituierten Einheiten der Form bilden - mit
Husserl gesprochen - "Einheiten des Sinnes" oder "Sinneseinheiten"
[Husserl 1980/106 §55, 48 §27]. Sinneseinheiten sind in ihrer
konstituierten Präsenz vorhanden. Vor dem Hintergrund der Gestaltpsychologie
und der Beschreibung des Wahrnehmungssystems bleibt es nicht allzu vage,
anzunehmen, daß ein Individuum die Sinneseinheiten einer bildlichen
Form nicht vorhersieht, sondern in der Wahrnehmungshandlung selbst stiftet,
konstruiert oder findet. Solche konstruierten Formen beinhalten eine Invarianz
in Abgrenzung zu einer Varianz [vgl. Ciompi 1992/104; s.S. 93]. Varianz
bezeichnet hier die Möglichkeit oder Erstheit, die es der vereinheitlichenden
Aktivität des wahrnehmenden Bewußtseins gestattet, einen Sinn
der Form zu verwirklichen. Diese Verwirklichung charakterisiert eine erste
Ordnung des menschlichen Erlebens, das eine Wirklichkeit von Invarianten
organisiert. Ohne sinngeleitete Organisationstendenzen von Invarianten würden
beispielsweise Farbpunkte, Form/Grund oder Figur/Grundbeziehungen auf einem
Bild beziehungslos ineinander stehen und vom Individuum nicht als differente
Einheiten wahrgenommen werden. Dieser grundlegende Sinn der Form "springt"
quasi ad hoc als »etwas« "ins Auge". Das »Etwas«
einer ersten Form verwirklicht sich jedoch nicht notwendig als Zeichen,
sondern entsteht aus der sinngeleiteten Decodierungsweise eines Individuums,
das die als prägnant empfundenen Strukturen eines bildlichen Gegenstandes
wahrnimmt. Die Gestaltwahrnehmung von flächigen Einheiten drängt
hier auf den ersten Sinn der Form, der sich durch die Präsenz des Bildgegenstandes,
durch sein Material bzw. sein Medium bestimmt. Wäre dieser erste Sinn
unsichtbar, wären ebenfalls die Form und das präsente Kommunikationsmedium
Bild abwesend.
Letzteres impliziert, daß jedes Medium durch die Aufnahme von Formen
einen Ausdruck findet: ein amorphes Medium ist ausdruckslos. Aus diesem
Grund fassen wir den präsenten Gegenstand [Zweitheit] als ein unentbehrliches
Medium (vermittelndes Element) für visuelle Kommunikation [Drittheit]
auf. Indessen finden wir Licht als ein Medium für die Präsenz
und den ersten Sinn der Form [Zweitheit] vor. Insofern aber erstens Licht
als Medium unsichtbar [s.S. 80] bleibt, und wir zweitens selten innerhalb
einer visuellen Kommunikationssituation das gegenständliche Bildmedium,
sondern die Zeichen als Botschaft betrachten, fällt dem Bildmedium
im ersten Fall keine und im zweiten selten eine bewußtwerdende Bedeutung
zu [vgl. Baecker 1990/93].
Wie mit Rubinstein und Roth vorgebracht, hat die Gestaltwahrnehmung der
Form keinen eigenständigen Wert. Die Form dient vielmehr als Merkmal
für die sinnliche Erkenntnis des Gegenstandes in seiner Bedeutung [s.S. 82, 67].
Die menschliche Wahrnehmung läßt sich nie auf ihre reizmäßige
oder empfindungsmäßige Ursache reduzieren. Die im Wahrnehmungssystem
sinnvoll organisierte Gestalt oder Form ist an handlungsrelevante Bedeutungen
gebunden. Umgekehrt sind die Bedeutungen von Bildern daran gebunden, wie
und ob Betrachter in materiellen Bildern Sinn erkennen können. Dennoch
- und das ist in diesem Zusammenhang wichtig - läßt
die Konstruktion vom Sinn der Form zwei Bedeutungen zu, nämlich die
von repräsentierenden Bildformen (Zeichen) und die von präsenten
Formen gegenständlicher oder informationeller Art. Die Einheiten des
Sinns von präsenten Formen, die als einfache Gestalten von Farbflecken
[s. Abb. 9], Linien, Quadraten, Dreiecken, Kreisen wahrnehmbar sind,
bestimmen zwar die Voraussetzung eines Bildmediums, kommen jedoch nicht
den Einheiten des Sinns gleich, die als Bild figurieren. Geht man von idealisierten
Bedingungen aus, sofern man Linien, Kreise etc. als Zweitheit einer wirklichen
Informationen auffaßt, dann erzielt der Sinn einer einfachen Gestalt-
oder Formwahrnehmung eine andere pragmatische Bedeutung als die Einheiten,
die sich mit dem Sinn der bildlichen oder zeichenhaften Formen ereignen.
In dieser Differenzierung zeichnet sich nochmals die beschriebene Diskrepanz
zwischen Gegenstands- und Zeichenbedeutung ab [s.S. 58]. Mit der Wahrnehmung
eines Sinns der präsenten Form erhält ein Gegenstand seine Wirklichkeit,
seine wahrgenommene Wirkung. Demgegenüber erhält das bildliche
Zeichen mit dem Sinn der repräsentierenden Form/Figur seine semiotisierte
(78)
Zeichenbedeutung, welche über kommunikative und realitätskonstituierende
Vorstellungen von Individuen benachrichtigt.
Kommunikation
basiert auf Unterscheidungsgelegenheiten. Beispielsweise strukturiert ein
Individuum vermöge seines Wahrnehmungssystems die Farbfläche in
Abb. 9 als eine Sinneseinheit, die es oft lediglich als Sinn einer präsenten
Form verwirklicht. Die Differenz zwischen dem Sinn einer präsenten
Form und dem Sinn einer repräsentierenden Form, die als Bild oder Zeichen
für etwas anderes steht, führen Bücher über gestaltpsychologische
Phänomene (z.B. des Klassikers Metzger) vielfach unbemerkt, aber deutlich
vor Augen. So werden die wahrnehmungspsychologisch geschulten Leser bei
der Gegenüberstellung der in Abb. 10 dargebotenen Formen wahrscheinlich
gleich zwei verzerrte Gesichtsprofile oder eine ungewöhnliche Vase
erkennen. Schon die Erwartungshaltung, daß diese Farbflecken als Zeichen
für etwas anderes - nämlich Gesichter - zu erkennen
sein werden, läßt den Betrachter diese Zeichen auch assimilatorisch
als solche wiedererkennen. Allerdings hätte er auch zwei Farbflecken,
zwei eigentümliche Fußabdrücke visuell decodieren oder zwei
ungewohnt verdrehte Landkarten der USA erkennen können. Offenbar aktiviert
die Illustration in Abb. 10 einen Erkennungscode, der uns aufgrund eines
spezifischen Darstellungscodes von Silhouetten seit dem 17. Jahrhundert
in Europa bekannt ist.
Wie die beiden Beispiele vorführen, gestatten visuelle Formen zwei
Beschaffenheiten des Sinns. Erstens stützen die mit Husserl [s.S. 162]
benannten Sinneseinheiten den Sinn der präsenten Form, die im Kontext
von anderen Farbflächen und Farbformen als Gegenstandsbedeutung auffällt
[Zweitheit]. Und zweitens tritt ein Sinn der repräsentierenden Formen
auf, der im Kontext von Zeichenbedeutungen als darstellende Farbfläche
interpretiert wird. Den Sinn der repräsentierenden Form eröffnen
sich Bildbetrachter im Zeichenkontext ihrer Kultur, sobald sie Formen mit
einer Zeichenbedeutung assoziieren oder unter dieser subsumieren, also eine
zeichen-assoziierende, -findende oder -konstituierende Urteilskraft aktualisieren
[Drittheit]. Die Basis für alle zeichenhaften Assoziationen stiftet
jedoch die sinnhafte Präsenz der Form. Erst infolge der sinnhaften
Präsenz ermöglicht sich die zweite, kommunikative Ordnung, die
den Sinn der repräsentierenden Formen eines Bildes trägt. Die
sinnhafte Präsenz von Bildgegenständen ist demnach das Medium
für repräsentierende Formen. Und wem der verwerflich gewordene
Begriff der Repräsentation widerstrebt, dem sei der andere, hier synonym
verwendete Begriff der Darstellung an die Hand gegeben.
Der Sinn stabilisiert in beiden Fällen die entsprechende Bedeutung
der Form und damit den jeweiligen Kontakt zum wahrnehmenden und kommunizierenden
Individuum. Es konkretisiert nämlich nicht die Bedeutung den Sinn von
präsenten und repräsentierenden Bildformen, sondern umgekehrt
ermöglicht der Sinn einer visuellen Form den sozialen Rahmen, wie eine
präsente Gegenstandsbedeutung bemerkt oder als repräsentierende
Zeichenbedeutung wiedererkannt wird. So erkennen beispielsweise Kinder,
ganz im Gegensatz zu Erwachsenen, im Spinat auf dem Teller spielerisch Bilder
von etwas anderem. Der Sinn einer präsenten und repräsentierenden
Form gibt gewohnheitsmäßig vor, in welchem wahrnehmungsmäßigen
und kommunikativen Kontext einem Bild Bedeutung zufällt. Ohne hier
auf die Absolutheit aller Zeichenverständigungen drängen zu wollen,
kann für den Sinn der Form von repräsentierenden Bildzeichen die
an Peirce angelehnte Feststellung Ecos [vgl. 1991/92; s.S. 21] übernommen
werden, die lautet: Zeichenbedeutung wird durch eine Reihe von Sinnmerkmalen
definiert, weil sich jede Zeichenform mit ihrem singulären Interpretanten
nur durch weitere Zeichen interpretieren und in ihrer genauen Bedeutung
spezifizieren läßt. Wenn man der Wahrnehmung einen Interpretationscharakter
der Formpräsenz zugestehen will, dann basiert auch hier die interpretierte
Gegenstandsbedeutung auf dem Sinn, den ein Beobachter in der Form differenziert
wahrnehmen kann. Anders gesagt, sobald ein Bildgegenstand für ein Individuum
ohne differenzierbare Formen bleibt, fällt ihm keine Sinneseinheit
und deshalb auch keine Bedeutung zu. Im übrigen bleiben auch ikonische
Zeichen bedeutungslos, wenn deren Ähnlichkeiten mit irgend »etwas«
nicht im Sinn repräsentierender Form wahrgenommen werden. In beiden
Fällen ist Bedeutung erst dann zu verstehen, wenn sie vom Sinn der
Form in den jeweiligen Verwendungskontext eingefädelt wird; ohne Sinn
jeglicher Form tritt für uns keine - wenn auch gleichursprüngliche -
Bedeutung auf.
Wenn man Bilder beobachtet, dann läßt sich feststellen, daß
Bildmedien eine Wirkung in der Präsenz entfalten, die nichts repräsentiert.
Sobald man die Präsenz des Bildgegenstandes zum Bild erheben will,
wird man in der Präsenz den repräsentierenden Zeichencharakter
erkennen müssen. Denn visuelle Kommunikation erreicht ein Individuum
keinesfalls eher, bis ihm erstens Formen dargeboten werden, deren Präsenz
noch als sinnvolle Einheiten visuell zu differenzieren sind, und ihm zweitens
solche präsenten Formen dargeboten werden, die auch innerhalb eines
kommunikativen Kontextes als Sinn eines Zeichens über gegenständliche
Präsenz hinausgehoben werden können. Deutlicher gesagt: die erste
sinnhafte Ordnung fungiert als Medium für die Aufnahme von bildlichen
Zeichenformen zweiter Ordnung. Deshalb wird der präsente Sinn des Mediums
vorkommunikativ wahrgenommen und der repräsentierende Sinn der Form
kommunikativ verstanden. Allerdings existiert der bildbezogene Gewohnheitsfall,
der ikonische Repräsentation zeitweise aus Gewohnheit auf vorkommunikative
Präsentation reduziert. In diesem "präsentativen Symbolismus",
wie ihn Susanne Langer [vgl. 1984] nannte, erkennen Individuen die repräsentierte
Form des Objekts, also das Ikon, als scheinbar gegenständliche Präsenz
wieder und können dabei zeitweise dessen kommunikativen Inhalt vergessen
[s.S. 157]. Der Bildbetrachter überwindet die kommunikative Widerständigkeit,
indem er das undurchsichtige Bildmedium in scheinbare Durchsichtigkeit auflöst.
Er nimmt hier das kommunikativ Repräsentierte als vorkommunikativ Präsentes
wahr. Man könnte einwenden, daß auch die Präsenz eine Erfahrung
verursacht, die das Ego sofort in seine Zeichenwelt integriert. Ich würde
jedoch der Deutlichkeit wegen meinen, daß die Wahrnehmungserfahrung
von Informationen eine zeichenlose Non-Ego-Erfahrung ist, da sie selbst
nicht als Zeichen reflektiert oder kommuniziert werden kann.
Ein "geschlossenes Sinngebiet", wie Schütz u. Luckmann [vgl.
1979/49; 1974/168] z.B. das Sinngebiet der Kunst, der Wissenschaft und der
Welt religiöser Erfahrung nennen, setzt sinnvolle Bildformen in doppelter
Ordnung von einem präsenten und repräsentierenden Sinn voraus.
Sinngebiete fasse ich daher im weiteren als Sinnkontexte von Gegenständen
und Zeichen auf. Die Berechtigung des Sinns einer Erfahrung von präsenten
Formen gegenüber dem Sinn von repräsentierenden Zeichenformen
betonen Schütz u. Luckmann [vgl. 1971a/363; 1974/74; 1979/81] und Berger
u. Luckmann [vgl. 1980/42] jedoch nicht immer eindeutig. Alle drei sehen
den Sinn einer Erfahrung durch eine "reflektive Zuwendung" in
einer Zeichencodierung verliehen, in der die Alltagswelt beständig
als "Welt der Zeichen und Symbole" erfahren und in sprachlichen
Zeichen reflektiert wird. Schütz u. Luckmann [vgl. 1979/49] betonen
zwar im Verständnis von Husserl die "Einheiten des Sinnes"
einer Wahrnehmung als den "Sinn unserer Erfahrung", der unserem
"Erlebnis- und Erkenntnisstil (79)
" verhaftet bleibt, legen den feststellbaren Sinn dann aber als einen
aus, der in der reflektiven Zuwendung von Zeichen gewonnen wird. Diese Position
stimmt durchaus mit der von Peirce überein, denn keine Zweitheit (Erfahrung)
läßt sich ohne Drittheit der Zeichen reflektieren [s.S. 31].
Und trotzdem ist gerade der Sinn der Erfahrung und der des Erlebnisses für
die Bildbetrachtung unerläßlich. Solange die Wirklichkeit der
Erfahrung nämlich andauert, bleiben wir nach Schütz in einem geschlossenen
Sinngebiet (Sinnkontext), das sinnvoll, aber zeitweise unreflektiert bleiben
kann.
Würden die präsenten Gegenstände einer Konstruktion des wahrnehmenden,
sogenannten "reinen" Bewußtseins keinen Sinn erkennen lassen,
so wären sie keinesfalls in der Lage, einen Bewußtseinsstrom,
dem so etwas wie Wirklichkeit widerfährt, im Fluß zu halten [vgl.
Schütz u. Luckmann 1979/49f., 80]. Auch der von Berger u. Luckmann
[vgl. 1980/1f.] benannte "Mann auf der Straße" behält
sein Wissen über Wirklichkeit als konstruierte Struktur von Zeichen.
Deshalb wird der Mann aber nicht die erfahrbaren Wirklichkeitsphänomene
von gegenständlichen Qualitäten in sprachlichen Zeichenkonstruktionen
garantiert sehen. Wenn er Gehen gelernt hat, dann hat er Wirklichkeit [Zweitheit]
auch körperlich erfahren; und wenn er Sehen gelernt hat, dann hat er
Gegenstände höchstpersönlich gesehen. Gerade in der westlichen
Gesellschaft ist dem »Menschen auf der Straße« oft mit
letzter Sicherheit erst das wirklich, was er selbst mit eigenen Augen sieht,
ganz egal was man ihm beispielsweise in der Werbung oder Wissenschaft versprochen
hat. Die Sinnzuschreibungen, die Zeichentitel im Kontext erhalten, erreicht
nur die halbe Sachkenntnis, die für die nicht-sprachliche Bildstruktur
substantiell ist. Wie können Bilder und deren Formen jedoch als ein
Sinnkontext nahezu ohne sprachliche Zuwendung innerhalb der Gesellschaft
existieren?
Ohne verbale Sprache oder andere Symbolisierungsweisen könnten Bilder
ihre Funktion nicht erfüllen. Nur ko-orientierte Symbolisierungen verdeutlichen,
warum das, was innerhalb des Sinns der Bilder geschieht, etwas sein soll,
was außerhalb der Bilder möglicherweise anzutreffen ist. Trotzdem
decken Bilder einen ganz eigenen Sinnkontext ab, der durch sprachlich reflektierte
Sinnzuschreibungen nicht freizulegen ist. Auf das Hindernis, welches durch
die selbstreferentielle Sinnzuschreibung in Sprachcodierungen in letzter
Konsequenz entsteht, hat Merleau-Ponty indirekt hingewiesen. Denn wir können
entdecken, "... daß auch die Sprache nichts sagt als sich
selbst und ihr Sinn von ihr selbst nicht trennbar ist" [Merleau-Ponty
1966/223]. Diesen Sinn sprachlicher Zeichen verstehen Individuen innerhalb
des Sinnkontextes ihrer Sprache, d.h., Sprache versteht sich zuletzt allein
selbst. Bilderläuterungen unter Zeitungsbildern oder Bildinterpretationen
unterstützen zwar den Sinnkontext von ikonischen Bildformen, klären
ihn jedoch in jenen vermittelnden Interpretationen oder Beschreibungen nicht
auf, sondern setzen ihn voraus. Der ikonische Signifikationscode muß
vor aller verbalen Interpretation in seinem repräsentierenden Sinn
verstanden sein. Der ikonische Objektbezug will erblickt sein, damit weitere
Interpretationen des indexikalischen und symbolischen Objektbezugs möglich
werden. Deshalb stellt die sprachliche Beschreibung und Identifikation bildlich
dargestellter Objektbezüge letztendlich nicht den Sinn von Bildern
fest, sondern kennzeichnet den Wechsel von der Zeichencodierung der bildlichen
zu der Zeichencodierung der sprachlichen Beschreibungen. Sprache diskreditiert
daher den Sinn von ikonischen Bildinhalten eher, als daß sie ihn dechiffriert.
Bilder, wie auch die Bilder der Kunst, sind kommunikativ gemeinte und an
Sinn orientierte Resultate, die von einem Produzenten auf die von Sprache
beschilderten Wege gebracht werden, gleichwohl nicht die Schilder, sondern
die Wege beschritten werden.
Trotz aller Transformationsversuche vom bildlichen zum sprachlichen Sinnkontext
realisiert niemand im letzteren Interpretationen, die beispielsweise dem
Mona-Lisa-Bild ebenbürtige optische Informationen und visuelle Nachrichten
vermitteln würden. Solche vergeblichen Sinnübertragungen geben
bereits preis, wie Individuen den Sinn von präsenten Zeichen decodieren,
um in ihnen den Sinn von ikonischen Repräsentationen des Objekts wahrzunehmen.
Diesen Sinn der repräsentierenden Form verstehen Individuen im Sinnkontext
von Bildern prälogisch, weil sie ihn visuell wahrnehmen. Wenn wir nämlich
in einem Bild »etwas anderes« wiedererkennen, dann haben wir
das bildliche Zeichen als solches innerhalb des Sinnkontextes von ikonischen
Bildern prälogisch als Rhema [s.S. 43] visuell verstanden. Die
Vorstellung/Idee des Objekts, die Repräsentation, wird hier sprachlos
wahrgenommen. Mit sprachlichen Benennungen übertragen wir lediglich
jene bildbezogene Anschauung auf sprachliche Sinnkontexte und verstehen
sie dann dort innerhalb des sprachlichen Sinnkontextes, aber nicht innerhalb
des Sinnkontextes von Bildern. Die Übertragung vom bildlichen zum sprachlichen
Sinnkontext bereitet lediglich die Änderung der Denkgewohnheit vor.
Deshalb erfüllt sich der repräsentative Sinn eines ikonischen
Bildzeichens innerhalb des Sinnkontextes visueller Zeichen. Dort erscheint
ein Bild sinnvoll, wenn es »etwas« präsentiert und wenn
es »etwas anderes« als es selbst optisch wiedererkennbar repräsentiert.
In letzter Entschlossenheit erzeugen Bilder den zweifachen Sinn der Form
infolgedessen zyklisch. Sie präsentieren und repräsentieren nichts
anderes als ihren Sinn selbst. Sie fungieren somit in einem Autodeterminismus,
der sie in kulturellen Zeichensegmentierungen autonom (eigengesetzlich)
gegenüber Sprache und sonstigen Realitätskonstruktionen macht.
Für Bilder im allgemeinen ist es ganz egal, und selbst für maschinell
erzeugte Bildern wird es in der heutigen Zeit wieder unwichtiger, ob das
veranschaulichte Objekt nominell oder wirklich existiert. Die Referenz des
Bildzeichens zum wirklichen Gegenstand stellt das Individuum im Zeichenprozeß
her, indem es mögliche oder erfahrene Wirklichkeiten zu kulturellen
Einheiten (ikonischen Signifikaten) bündelt und dann erstmal für
sich selbst wiedererkennbar darstellt [s.S. 38]. Daß nämlich
Bilder nur Vorstellungen von der (gewünschten) Wirklichkeit referierter
Gegenstände bilden bzw. von Gegenständen darstellen, ist dem Bild,
wie auch seiner Begriffsbestimmung schlechthin seit ehedem immanent gewesen.
Im zweifachen Sinn der Bildformen veranschaulichen Bildproduzenten nichts
anderes, als ihre eigenen Ansichten (Ideen/Vorstellungen) von repräsentierenden
Bildzeichen und präsenten Bildgegenständen [s.S. 37 (Klee)].
Die Entwicklungsgeschichte des europäischen Bildes mit dem damaligen
Hang zum einzig Wahren und heutigen Bestreben zum realistischen oder besonders
innovativen Bild stabilisiert die Vermutung, daß es Bildproduzenten
nicht auf die Referenz zur Wirklichkeit ankommt. Ihnen kommt es entweder
auf die Progression (Erweiterung) inklusive Tradition visueller Kommunikation
an oder auf die ästhetische Erfahrung des Bildgegenstandes selbst.
Das generelle Interesse an Bildern kann sich also kaum darin begründen,
daß Menschen die Welt anhand von Bildern erfahren werden. Es begründet
sich vielmehr dort, wo sie sich selbst in synthetischen Bild-"Realitäten"
oder als Kollektiv mittels Bildern wiedererkennen, um dann über abwesende
Welten zu kommunizieren. Bilder werden deshalb als kulturelle "Spiegelbilder"
(80) produziert,
worin Menschen im Wechsel der Denkgewohnheit ihre soziale Präsenz nicht
sprachlich, sondern visuell wiedererkennbar repräsentiert sehen. Das
Bild übernimmt folglich keine Eigenschaften eines abzubildenden Gegenstandes,
sondern bildet das, was die menschliche Vorstellung im Bild spiegeln soll,
damit es dem Menschen als vorgetäuschtes "Abbild" eines Gegenstandes
erscheinen kann. Es ist hier die Selbstähnlichkeit der Bilder, die
diesen zu ihrem selbstreferentiellen Eigenwert verhilft. Bilder bilden also
ein Abbild von sich selbst ab, um etwas Bildliches zu repräsentieren.
Zusammengenommen besagt jene Selbstreferenz: anstatt daß Menschen
durch das prinzipiell undurchsichtige (81)
Bild die Welt sehen könnten, erkennen sie die im Bild konzeptualisierte
Undurchsichtigkeit als Durchsichtigkeit ihrer eigenen Perspektive wieder.
An Nancy angelehnt, läßt sich deshalb sagen: so liegt der Sinn
der bildlichen Form "... in der Realität, die sie verbirgt"
[Nancy 1987/44]. Bilder spiegeln Elemente von kulturellen Weltbildern, indem
sie die Referenz zur Wirklichkeitserfahrung verdecken. Erst die vollständige
Verhüllung von Wirklichkeiten [Zweitheit] ermöglicht überhaupt
erst visuell kommunizierbare Realitätsinterpretationen oder Wirklichkeitsillusionen
[Drittheit]. Bilder rufen somit erst eine soziale Realitätsvorstellung
von »etwas anderem« ins Leben, wenn diese kommunikativen Konstruktionen
nicht mit dem veranschaulichten »etwas« identisch sind und sein
sollen. Sie bieten keine Durchsichten ("Perspektiven", lat. perspicio:
hindurchschauen) auf die Welt, sondern spiegeln Einsichten (Wissen) von
der visuellen Kommunikationsform einer Kultur im ikonischen Signifikationscode.
Und wie sie dies mit Hilfe des Sinns der Form vollbringen, dazu jetzt.
Beispielsweise fällt der Zentralperspektive in unserer Kultur eine
besondere Autorität zu, weil sie unseren internalisierten Plausibilitätskriterien
von einer optisch dargestellten Nachricht entgegenkommt. Die aus singulärem
Blickpunkt entwickelte Zentralperspektive wird in einer Tautologie sinnvoll.
Sie projiziert in ihren repräsentierenden Formen den Sinn auf die Welt,
den wir in den uns gewohnten Sinnstrukturen noch als sinnvolle Darstellungsform
wiedererkennen können. Selbst Kinder bilden nicht das ab, was sie sehen,
sondern das, was sie in ihrer konzeptualisierten Sinnstruktur als Sinn verstehen
[vgl. Piaget 1978/479; s.S. 89]. Aus dieser Tautologie, die Sinn durch
Sinnkontexte begründet, führt Luhmann [vgl. 1971/61; 1987/102]
mit einem Vorschlag heraus. Seines Erachtens ist Sinn für das menschliche
Erleben die notwendige Ordnungs- und Abgrenzungsform, um mit Sinn im Sinn
kommunizierte Informationen und Nachrichten zu gewinnen. Denn "... erkennen
können nur nichterkennende Systeme ..." [Luhmann 1990/37].
Solche selbstreferentiellen Systeme konstruieren ihren Sinn vor dem Hintergrund
ihres Sinnkontextes, um intern darzustellen, was draußen passiert.
Ebenfalls erfüllen Bilder ihren Sinn im selbstreferentiellen Sinnkontext,
wenn sie gemäß kulturinternen Plausibilitätskriterien repräsentieren,
was außerhalb ihrer selbst passiert. Bilder bilden im ikonischen Signifikationscode
keinen Gegenstand nach, ersetzen diesen nicht mimetisch im Sinne von Mimikry
[s.S. 156], sondern sie teilen über ihn die optischen Nachrichten
mit, die von der Tautologie des Sinns gefiltert wurden. Der Sinn im Sinn
der Form ermöglicht und garantiert dem Individuum überhaupt erst
den kommunikativen Anschluß an die visuellen Kommunikationsformen
seiner Kultur. Denn zur Kommunikation kommt es erst dort, wo etwas als Zeichen
für etwas anderes akzeptiert wird. Wäre visuelle Kommunikation
in der repräsentierenden Form frei von kulturellen Sinnkontexten, so
wäre sie undurchführbar, da sowohl Gesellschaft als auch Kommunikation
bei Sinnverlust lediglich ihre Selbstzerstörung vorantreiben. Bilder,
die auf ihre jeweilige kulturelle Tautologie, daß Sinn Sinn hat, verzichten,
entsagen sich deshalb temporär jeder Gesellschaftlichkeit. Dieser Sinn,
der im kulturellen Sinnkontext seinen Sinn erhält, bezeichne ich im
weiteren als Sinntautologie.
"... Sinn ist kein Zeichen" (82)
[Luhmann 1987/107], aber "Sinn bildet den Kontext aller Zeichenfestlegung ..."
[Luhmann 1987/107] und Erlebensstile. Um diesen Kontext des Sinns aufzugreifen,
vollzieht Luhmann keine explizite Unterscheidung zwischen Information und
Nachricht. Diese Unterscheidung wäre jedoch notwendig, wenn Luhmann
annimmt, "... daß das Bewußtsein im Wahrnehmen ...
eine für Kommunikation unerreichbare Eigenart besitzt" [Luhmann
1992/20]. Wenn Bilder Informationen sowie Nachrichten auf der Grundlage
des Sinns veranschaulichen bzw. mitteilen sollen, dann muß der kommunikative
Anschluß sowohl durch die kulturell geprägten Wahrnehmungsroutine
("pragmatic turn") als auch durch die Zeichenkompetenz ("linguistic
turn" besser "semiotic turn") eines Individuums verwirklicht
werden.
Visuelle Informationen sind an die Ordnungsform der individuellen Wahrnehmungsschemata
in gleicher Weise gebunden, wie die Nachrichten an das von einem Individuum
internalisierte Zeichenrepertoire einer Kultur. In dieser Angelegenheit
sind sich Luhmann wie Habermas in meinem Sinne einig. Der Informations-
wie auch der Nachrichtengehalt einer visuellen Mitteilung hängt davon
ab, "... was der Adressat vorher schon wußte" [Habermas
1971/184]. Und was der Adressat an informationeller und zeichenhafter Struktur
mitbringt, wenn er Bilder ad hoc sehen bzw. verstehen will, ist eben ein
Kennen des doppelt geordneten Sinns der Form im Legizeichen. Sinnverstehen
als ein Modus visueller Erfahrung benötigt Kennen-Lern-Situationen.
Nur dem visuell erfahrenen Individuum signalisiert der doppelte Sinn von
Bildformen kommunikative Anschlußfähigkeit, sofern Sinnkontexte
nicht erheblichen Variationen unterliegen und dadurch exemplifizierten Sinn
sinnvoll sichtbar werden lassen. Diese kulturelle Sinntautologie kultureller
Formen ermöglicht überhaupt erst die Interpretation der Zeichenbedeutung,
mit der eine ikonische Nachricht im jeweiligen Kontext verständlich
wird. Der kulturelle Bildstil im ikonischen Signifikationscode untermauert
somit den kulturellen Konsens, der darin besteht, daß der »Sinn
der repräsentierenden Form« in der Kommunikationssituation internalisierten
Plausibilitätskriterien folgt. Verläßt der Sinn der repräsentierenden
Bildform den kulturellen Konsens (z.B. irritierende Kunst), steht der Mitteilungsanspruch
der visuellen Kommunikation selbst in Frage und wird dann meist mittels
sprachlicher Zeichen im Sinngehalt symbolisch gestützt oder abgelehnt,
weil sich jede Präsenz der Form sprachlich, aber nicht bildlich, als
Bildsymbol behaupten läßt. Ohne plausiblen Sinn der repräsentierenden
Form bleibt jede ikonische Bezeichnung unvermittelt.
Verlöre sich der Sinn repräsentierender Form, bliebe visuelle
Kommunikation weitgehend unverstanden, und wäre der Sinn präsenter
Form nicht sichtbar, wäre nichts sichtbar. Eine kommunikative Relevanzstruktur
trägt den Sinn der Form im kulturellen Darstellungscode (Legizeichen)
[s.S. 116]. Der Sinn im »Sinn repräsentierender Form«
fungiert deshalb als eine kulturelle Notwendigkeit [s.S. 29], die mit
der Drittheit der Erstheit (Legizeichen) möglicher Medienformen tradiert
wird. Diese Notwendigkeit, die die kommunikative Fortsetzbarkeit nicht dem
Zufall überläßt, zeigt sich mit dem Sinn des Darstellungscodes,
dessen Index verdeutlicht, wie der bildliche Sinn ohne sprachliche Unterstützung
als eine visuelle Mitteilung zu erkennen ist. Mit dieser Indizierung der
kommunikativen Funktion kann der Gegenstand Bild als Zeichen für eine
optische Nachricht genommen und innerhalb der Sinntautologie von Bildern
als kommunikationsinternes Konstrukt aktualisiert und verstanden werden
[hierzu Luhmann 1992/24]. Wenn wir nämlich sprechen, kommt auch niemand
auf die Idee, die Kommunikation als Sprachcode oder Zeichen gestisch anzukündigen,
weil bereits mit der sprachlichen Geste indiziert wird, daß jetzt
innerhalb der Sinnkonstitutionen der Sprache eine Sequenz von symbolischen
Lauten als Nachricht verstanden und relevant werden soll. Auch visuelle
Kommunikation indiziert ihre Funktion. Sie "... ist entsprechend
codiert als (positiv oder negativ gefaßter) Sinnvorschlag, der verstanden
oder nichtverstanden und angenommen oder abgelehnt werden kann" [Luhmann
1987/603]. Diesen demonstrativen Kommunikationsanspruch aktualisieren Bilder
im ikonischen Signifikationscode fortwährend, weswegen ihr Sinn als
kommunikativ anschlußfähige Zeichencodierung nicht in Vergessenheit
gerät. Erst eine Zeichencodierung, welche von jeglicher Kollektivität
ausgeschlossen ist, verliert ihren Sinn; in dieser Weise geht es den Zeichen
unvergleichbar ähnlich wie den von Durkheim [vgl. 1973/118] untersuchten,
suizidgefährdeten Menschen.
----Fußnoten----
(78)
Diese Semiotisierung von Formen beschreiben Luhmann [vgl. 1990a/14; 1987/230, 112;
1986a/8f.] und Baecker [vgl. 1990/68f., 89] jedesmal, wenn sie in
der Formulierung von Spencer Brown [vgl. 1972/70ff.] darauf insistieren,
daß die Innenseite einer ersten Form über eine unterscheidbare
Invarianz beobachtet wird. Mit dieser ersten Unterscheidung wird es in
Zeichencodierungen der Drittheit möglich, jene Innenseite der Form
zu bezeichnen, sie als Zeichen für eine Funktion aufzunehmen oder
als Bezeichnung (im re-entry) für etwas anderes figurieren zu lassen.
Was dabei unausgesprochen bleibt, ist, daß neben der wahrnehmungsmäßigen
Konstruktion von Formunterschieden auch formhafte Flächen wahrgenommen
werden, die - von Farbqualitäten ausgefüllt - ästhetische
Emotionen ohne weitere Unterscheidungsleistung provozieren. Am Anfang
jeglicher Identität steht zwar Differenz, diese ist jedoch erst dann
zu verwirklichen, wenn differenzlose Erstheit (z.B. in der Lichtintensität
oder in ununterschiedener bzw. unentscheidbarer Emotionalität) als
Bedingung weiterer Möglichkeiten empfunden wird.
(79)
Bei Husserl heißt es: "Realität und Welt sind hier eben
Titel für gewisse gültige Sinneseinheiten, nämlich Einheiten
des »Sinnes«, bezogen auf gewisse ihrem Wesen nach gerade
so und nicht anders sinngebende und Sinnesgültigkeit ausweisende
Zusammenhänge des absoluten, reinen Bewußtseins" [Husserl
1980/106 §55]. »Titel für Sinnesempfindungen« sind
für Husserl grundsäu?tzlich nicht mit den erinnerten Sinngebungen
in der Lebenswelt identisch, denn das "Nichterinnerbare ... kann
eben nur 'gelebt', aber in keiner Weise 'gedacht' werden; es ist wesentlich
unartikuliert" [Schütz 1974/70].
(80)
Eco [vgl. 1991/269] präzisiert, daß das alltägliche Spiegelbild
von »etwas« kein Zeichen ist, weil man es nicht zum Lügen
verwenden kann. Ebenso sind verschiedene Zeichencodierungen ein Spiegelbild
von konzeptualisierten Denkgewohnheiten, die als Kulturformen weder wahr
noch falsch sind. Beispielsweise ist die Sprache als sinnkonstituierende
Zeichencodierung von Weltbildern nicht schon selbst eine Lüge. Es
kann sein, daß eine Zeichencodierung z.B. musikalische Denkgewohnheiten
nicht spiegeln kann, das wäre aber keine Lüge, sondern betrifft
die Leistungsfähigkeit der Zeichencodierung selbst.
(81)
Es gibt freilich Ausnahmen, z.B. ließ Sigmar Polke bei den Bildern
"weiße Wolke" [1992] u. "Haus vom Nikolaus"
[1992] auf einer Malfläche aus Gaze große Bildflächen
unbemalt stehen, wodurch die Keilrahmen und die hinter den Bildern befindliche
Wand sichtbar wurde.
(82)
Mit dieser Bemerkung vermeidet sowohl Luhmanns Theorie als auch diese
Arbeit, Sinn als Zeichen und Bezeichnung für sich selbst zu verstehen.
Der einzige Sinn, der kein Zeichen ist, kommt allerdings nach Peirce in
dem Wechsel der Denkgewohnheit von beispielsweise Fühlen zu Denken
vor. Nach Karger [vgl. 1986/42] zieht jeu?de Veränderung der Denkgewohnheit
bereits ein Zeichen nach sich. Dies würde dann aber heißen,
daß jede Veränderung von Sinn als Zeichen auftaucht und dann
notwendigerweise selbst ein Zeichen des Übergangs zu anderen Sinnkontexten
ist. Dieses Zeichen müßte also ein indexikalisches Zeichen
sein. Die Nichterfüllung der Funktion des Zeichens, die entsteht,
wenn Sinn als Zeichen für sich selbst genommen wird, indiziert dann,
daß ein Wechsel des Sinnkontextes oder der Denkgewohnheit eben noch
nicht stattgefunden hat, was man aber erst bemerkt, wenn der Wechsel stattgefunden
hat.
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