Soziologie vernetzter Medien
Grundlagen computervermittelter Vergesellschaftung
Oldenbourg Verlag, München, 2007 ISBN: 3486273965
Schelske, Andreas zurück


Eine Soziologie vernetzter Medien verbindet zwei Forschungsrichtungen: Soziologie und Medieninformatik. Die Soziologie erforscht, wie Individuen der Gesellschaft handeln und kommunizieren. Indessen die Medieninformatik interaktive und vernetzte Mediensysteme entwickelt, damit Individuen medienvermittelt kommunizieren und handeln können. Die Soziologie agiert überwiegend erklärend und analysierend, indessen verfährt die Medieninformatik vorwiegend gestaltend und konstruierend. Beide wissenschaftlichen Disziplinen verbindet die Soziologie vernetzter Medien, indem sie die Zusammenhänge und Wechselwirkungen der Informationstechnik einerseits und gesellschaftliche Strukturen sowie soziales Handeln andererseits analysiert. Sie umfasst die Folgen der Informationstechnik in den Gesellschaften und zeigt auf, wie die rasche Entwicklung der Informationstechnik auf soziale Prozesse wirkt. Dabei muss eine Soziologie vernetzter Medien berücksichtigen, welche sozialen Folgen sowohl die modernen Computernetze als auch die Anwendung der interaktiven Medien mit sich bringen. Insofern bietet die Soziologie das Potential, sich mit konstruktiven Gesellschaftsanalysen an der Veränderung und Entwicklung der computerunterstützten Techniken zu beteiligen.

Die Grundlagen der informationstechnischen Vergesellschaftung in vernetzten und interaktiven Medien sollen:
  • die Bedeutung der computerunterstützten Kommunikation für die Entwicklung von Gesellschaften darstellen

  • Wechselwirkungen zwischen interaktiven Medien und gesellschaftlichem Strukturwandel verstehen helfen

  • unterschiedliche Medien im Hinblick auf Kommunikationsstruktur und Funktion in ihren gesellschaftlichen Verwendungszusammenhängen unterscheidbar machen

  • soziale Netzwerke, die sich auf Informations- und Kommunikationstechnik (IuK-Technik) stützen, als ein zentrales Charakteristikum der sozialen Kontexte im Informationszeitalter darstellen.

  • verständlich machen, dass Individuen während computervermittelter Kommunikation reale Sozialbeziehungen eingehen und nicht etwa bloß „virtuell“ kommunizieren, also der „Möglichkeit nach“ bzw. „nicht wirklich“ miteinander kommunizieren, so wie es das Wort „virtuell“ oft unterstellt. Unabhängig vom Übertragungsmedium kommunizieren Menschen miteinander – sie kommunizieren nie virtuell miteinander.

  • klassische Begriffe der Soziologie in die computerunterstützten Kommunikationsverhältnisse zwischen Menschen überführen.

Das Buch orientiert sich immer wieder an jenen sechs aufgezeigten Punkten. Die jeweiligen Kapitel sorgen dafür, aus ihrer jeweiligen Perspektive in das Themenfeld der Gesellschaft und Informationstechnik einzuführen.

Kapitel 1 begründet im Abschluss eine Soziologie vernetzter und interaktiver Medien. Um dies zu leisten, führt das Kapitel zunächst in eine grobe Begriffsbestimmung des Medienbegriffs ein. Im Anschluss folgt eine Begründung, warum es notwendig ist, einerseits nach dem Bezug von der Soziologie zur Informationstechnik zu fragen und anderseits den Bezug von der Medieninformatik zur Gesellschaft darzustellen. Die Soziologie nahm sich der informationellen Medien bisher in der Techniksoziologie und der Mediensoziologie an. Die techniksoziologische Betrachtung hebt hervor, wie die Technik die Gesellschaft verändert. Die mediensoziologische Betrachtung achtet darauf, wie die Kommunikationsverhältnisse sich infolge der Medientechnik verändern. Beide Perspektiven werden vorgestellt, um zu einer Soziologie vernetzter Medien zu kommen. Um die interdisziplinäre Brücke zwischen Informatik und Soziologie zu schlagen, wird ebenfalls die Informatik und die Medieninformatik vorgestellt. Daran schließt sich in eine kurze Darstellung an, die das Fachgebiet sowie die wissenschaftliche Betrachtungsweise von „Informatik und Gesellschaft“ erläutert. Denn die Informatik hat die eigenständige Disziplin „Informatik und Gesellschaft“ ausgebildet, um sich innerhalb des Fachs an vielfältigen Disziplinen zu orientieren, in denen Menschen eine Rolle spielen. Das Kapitel schließt mit einer Übersicht, welche Interdependenzen zwischen der Informationstechnik und Gesellschaftsentwicklungen zu beachten sind.

Kapitel 2 gibt eine statistische Orientierung, wie viele Individuen einen Computer bzw. das Internet in Deutschland und in der Weltgesellschaft nutzen. Das Kapitel zeigt unterschiedliche Eckdaten zu Informationsgesellschaften im internationalen Vergleich auf. Diese Eckdaten sollen deutlich daran erinnern, dass nicht die ganze Weltgesellschaft, sondern lediglich ca. 10 Prozent von ihr einen Zugang zum Internet haben. Hinzu kommt die soziale Ungleichheit zwischen Arm und Reich, Gebildet und Ungebildet sowie weitere Variablen, von denen ein Internetzugang abhängig ist. Das Kapitel schließt mit einer kurzen Betrachtung des globalen E-Commerce und der globalen Politik in vernetzten Medien.

Kapitel 3 führt in die Frage ein, was eine Gesellschaft ist. Jeder spricht von der Gesellschaft, aber gerade Soziologen haben keinen eindeutigen Gesellschaftsbegriff. Das Kapitel stellt klassische Gesellschaftsbegriffe vor und erläutert, was mit dem Begriff der Vergesellschaftung gemeint ist. Der Begriff der Vergesellschaftung ist für die Soziologie vernetzter Medien grundlegend, weil er aufzeigt, wie Informationstechnik am Wandel gesellschaftlicher Kommunikationsprozesse beteiligt ist. Dieser Wandel der Gesellschaft infolge der Informationstechnik wird mit drei klassischen, soziologischen Theorien aufgezeigt. Der Chronologie der Veröffentlichungen folgend, wird die Theorie der Wissensgesellschaft von Peter Drucker erläutert. Daran schließt sich das Konzept der postindustriellen Informationsgesellschaft von Daniel Bell an. Den Abschluss bildet die Theorie der informationellen Netzwerkgesellschaft von Manuel Castells. Alle drei Theorien geben eine Antwort darauf, welcher gesellschaftliche Wandel infolge der zunehmenden Verwendung von Informationstechnik eingetreten ist.

Kapitel 4 führt in vier Grundbegriffe der Soziologie ein und zeigt auf, wie sie in vernetzten und interaktiven Mediensystemen ihre Beschreibungskraft behalten können. Der wichtigste Grundbegriff der Soziologie ist das „soziale Handeln“. Im sozialen Handeln beziehen sich Individuen aufeinander. Sie schreiben sich eine E-Mail, eine SMS oder chatten. Soziales Handeln meint nicht, dass Individuen nett zu einander sind. Auch jemandem Gewalt anzutun, ist soziales Handeln. Der Begriff des sozialen Handelns ist vor allem dort interessant, wo zu fragen ist, ob informationstechnische Systeme der künstlichen Intelligenz handeln können und ob sie sogar sozial handeln können. Der zweite Begriff betrifft die Identität von Individuen. Sowohl informationstechnische Systeme als auch die flexibilisierte Informationsgesellschaft stellen zunehmend den Individuen die Frage, worin ihre Identität besteht und ob sie auch eine virtuelle Identität im Internet aufbauen können. Mit dem dritten Begriffsfeld der Gruppe, der Community und der sozialen Netzwerke wird ein wesentlicher Kern dieses Buches angesprochen, da in allen Wissenschaftsgebieten diskutiert wird, ob sich in vernetzten und interaktiven Systemen jene drei Sozialformationen überhaupt ausbilden können. Der vierte Begriff der Macht beleuchtet, wie in vernetzten und interaktiven Systemen diverse Machtstrukturen vorkommen, die in der terrestrischen Lebenswelt der Menschen zum Alltag gehören.

Kapitel 5 nimmt sich der Ethik und der damit verbunden Frage an: Wie wollen wir mit vernetzten und interaktiven Mediensystemen leben? Die Informations- und Kommunikationstechnik wirft viele entscheidbare Fragen auf, wie unsere Gesellschaft mit sozialer Ungleichheit, Zensur, Datenschutz, Kommerzialisierung und dem Urheberrecht umgehen soll. Diese Fragen dürfen in einer Soziologie vernetzter Medien nicht fehlen, weil sie die Grundlage der computerunterstützten Vergesellschaftungsformen sind. Aus diesem Grund bemüht sich das Kapitel zur Ethik in multimedialen Systemen ausführlich um die relevantesten Themenkomplexe.
(Beispiele aus der soziologischen Beratung hier)


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