Die Informationen regieren die Märkte. Sie beeinflussen sowohl
das Angebot als auch die Nachfrage von Konsumgütern. Nichtsdestoweniger
sind nicht alle Informationen gleich. Die besten Informationen sind
diejenigen, die Marktteilnehmer zu einer Entscheidung führen, die
einen wie immer gearteten Vorteil gegenüber anderen Marktteilnehmern
erbringt. Wer beispielsweise die Nachfrage der Konsumenten kennt, weiß
welche Güter er zu welchem Preis, an welchem Ort und in welchem
Design anbieten sollte, um Erfolg zu haben. Im Ideal würde derjenige
am erfolgreichsten Handel treiben, dem Angebot und Nachfrage von Konsumgütern
vollständig transparent sind. Um diese Markttransparenz bemüht
sich die Konsumforschung. Konsumforschung evaluiert Informationen von
und über Konsumenten, um Produzenten darüber aufzuklären,
welcher Art von Zielgruppe die konsumierenden Individuen sind. Im Grunde
möchte Konsumforschung idealerweise zu jeder Zeit wissen, warum
Konsumenten etwas wünschen, kaufen und konsumieren. Sie möchte
synchron mit dem Markt und den Konsumenten verbunden sein. Dieses Ideal
war bisher für die Konsumforschung sehr fern, doch neue und zukünftige
computerunterstützte Informationstechniken kommen dem Ideal einer
vollständigen Markttransparenz auf Konsumgütermärkten
etwas näher.
Gegenwärtig stechen zwei Strategien hervor, die die Struktur von
Konsumgütermärkten optimieren. Die erstere Strategie setzt
auf genauere Konsumentenprofile und die zweite Strategie möchte
Konsumenten stärker an der Konsumgüterproduktion beteiligen.
Beide Strategien haben eines gemeinsam, sie sollen die Markttransparenz
mittels vernetzter, interaktiver Medien zeitnah erhöhen.
Schaut man zunächst auf die Strategie der Konsumentenprofile, so
lässt sie es erwarten, dass personenbezogene und anonymisierte
Daten die Transparenz auf Konsumentenmärkten steigern. Kundenkarten,
Transaktionsdaten, Tracking Cookies, Adware, Logfile-Analysen, Location
Based Services, Verbindungsdaten, Scanningdaten, und Warenkorbanalysen
bieten erheblichen Aufschluss über Konsuminteressen und tatsächliche
getätigte Einkäufe. Zudem erlauben Strategien des Data Mining
eine weit reichende Personalisierung des getätigten Konsums und
der flüchtigeren Konsuminteressen. In den angebotsorientierten
Produktionsstrukturen fungieren Konsumenten quasi als eine Datenwolke,
deren Merkmale auf die zukünftige Konsumpräferenz des Individuums
in Raum und Zeit verweist. Kundendaten sowie raum- und verkehrbezogene
Informationen werden verfügbar und Bestandteil individualisierter
Angebote, die gleichermaßen auf virtuellen und lokalen Märkten
präsentiert werden. Die Steuerung des Warenstroms unterstützen
Data Mining-, Modellierungs- und Simulationstechnologien, um auf Grundlage
einer weit reichenden Markttransparenz anstehende Investitions- und
Produktionsentscheidungen zu fällen. Infolge der Datenströme
verändern sich Märkte zu einem Überallmarkt, der im Ideal
synchron mit der Konsumgüterproduktion verbunden und global sowie
computerunterstützt vernetzt ist.
Für eine verbesserte Markttransparenz stehen in zweiter Strategie
die Konzepte des „Open Innovation“. Alle Projekte des „Open
Innovation“ lassen Konsumenten in der Produktion mitarbeiten.
So sollen im gegenwärtigen Internet des „Open Innovation“
bzw. der „User Innovations“ die kreativen Potentiale der
Kunden genutzt werden. Der Open-Source-Software von MySQL.de, der Produktentwicklung
bei Thredless.com sowie der Marktbewertung durch Konsumenten bei Zagat.com
basieren beispielsweise auf Geschäftsmodellen, die die Entwicklung
von Produkten soweit wie möglich den Konsumenten überlässt.
Das Prinzip „Open Innovation“ zeigt eine Richtung auf, wie
Konsumenten an der Marktforschung vorbei die Produkte ihrer Konsumpräferenzen
selbst entwickelt. In dem zukünftigen Semantik Web werden Konsumenten
mittels Mass Customisation, CAD-Files und 3D-Druckern ihre Produkte
vor Ort einzeln und nach individualisierten Wünschen herstellen
lassen können.
Quelle: http://www.zagat.com,
07.02.06
Trotz aller Markttransparenz des Data Mining, des Prinzips „Open
Innovation“ und der semantisch vernetzten Konsumgüterproduktion
verliert die Konsumforschung nicht ihre Relevanz. Denn die Daten über
das Marktgeschehen sowie der innovativen Produktionsbeteiligungen sagen
nur wenig über Wünsche, Ängste, Emotionen, strategische
Überlegungen und andere qualitativ zu erhebende Daten aus. Am Markt
ist das Bewusstsein der Konsumenten sowie die gesellschaftliche Entwicklung
beteiligt. Insofern ist das Bewusstsein der Konsumenten sowie die Gesellschaft
selbst quasi der blinde Fleck des hoch vernetzten Marktes. Tracking,
Datenspuren im Internet usw. ermöglichen im Zusammenhang mit Strategien
des Data Mining eine weitgehend zurechenbare Individualisierung des
getätigten Konsums. Der Konsumforschung bleiben daher die tieferen
Beweggründe, infolgedessen Konsumenten etwas tun oder lassen. Aus
den quantitativen Daten der Konsumforschung lassen sich zwar sehr zeitnah
Warenströme und Konsum-Präferenzen ablesen, aber was Konsumenten
während des Gebrauchs von Produkten individuell erfahren und welche
Schlüsse sie für zukünftige Handlungsweisen daraus ziehen,
bleibt im Bewusstsein der Konsumenten so lange verborgen, wie sie nicht
von der Konsumforschung gefragt und analysiert werden. Wie die Gesellschaft
sich als Ganzes bzw. in Teilsystemen entwickelt und wie individuelle
Konsumpräferenzen in jenem gesellschaftlichen Wandel absehbar werden,
bleibt für die Konsumforschung weiterhin eine anspruchsvolle Herausforderung.
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